Tai Chi & Qigong
Indikationen
- Steigerung der Lebensqualität
- Schlafprobleme
- Fatigue Syndrom
Vorgehensweise & Inhalt
Tai Chi gehört ist eine weltweit praktizierte meditative Bewegungsübung. Ursprünglich aus der Selbstverteidigung hervorgegangen beinhaltet Tai Chi eine Abfolge von Übungen mit langsamen und fließenden Bewegungen, und wird daher oft als Schattenboxen bezeichnet. Neben Kraft, Beweglichkeit und Koordination integriert Tai Chi auch Atemtechniken sowie kognitive Fähigkeiten wie Körperwahrnehmung, Aufmerksamkeit und Entspannung. Qigong hat seinen Ursprung ebenfalls in China, und ist im Gegensatz zu Tai Chi oft durch vereinfachte Bewegungsabläufe und Wiederholungen der Bewegungsroutinen gekennzeichnet. Da sich die Techniken jedoch zu großen Teilen überschneiden, wird die Evidenz zu Tai Chi und Qigong in diesem Kapitel gemeinsam aufgearbeitet.
Es liegen Daten [2 MA mit 14 RCTs und weitere 2 RCTs] zum Einfluss von Tai Chi und Qigong auf Lebensqualität, Fatigue, Schlaf und Depressivität sowie zu Nebenwirkungen von Tai Chi und Qigong bei Menschen mit verschiedenen Krebserkrankungen vor. Es liegen keine Daten zum Einfluss von Tai Chi und Qigong auf die Mortalität oder zu möglichen Wechselwirkungen von Tai Chi und Qigong mit anderen onkologischen Therapien vor.
Lebensqualität
Eine Metaanalyse aus 2018 (Wayne et al. 2018) fand 11 RCTs, die die Wirkung von Tai Chi/Qigong auf die globale und tumorspezifische Lebensqualität von Krebspatienten untersuchten. Im Ergebnis zeigte sich ein signifikanter Kurzzeiteffekt (standardisierte Mittelwertsdifferenz: 0,73; 95% Konfidenzintervall: 0,23 bis 1,23) gegenüber Treatment as Usual direkt nach Ende der Interventionen, die zwischen 3 und 24 Wochen dauerten (Median 10 Wochen). Dies entspricht dabei einer mittleren Effektstärke. Obwohl die Ergebnisse darauf hindeuten, dass die Nutzung von Tai Chi/ Qigong im Vergleich zu Treatment as Usual mit einer Verbesserung der Lebensqualität assoziiert ist, schränken die häufig unklaren oder hohen Risk of Bias Bewertungen und die Heterogenität
zwischen den Studien die Aussagekraft deutlich ein. Zudem sind die Nachbeobachtungszeiträume zu kurz, um Aussagen über längerfristige Wirkungen treffen zu können. Immerhin scheint Tai Chi/Qigong generell sicher und mit wenig unerwünschten Wirkungen assoziiert zu sein, obgleich nur 4 Studien überhaupt sicherheitsrelevante Outcomes berichtet haben. Im Vergleich zu aktiven Kontrollinterventionen (z.B. Stretching) fand die o.g. Metaanalyse (Wayne et al. 2018) mit 6 RCTs keine Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich der Lebensqualität nach Interventionsende. Ein weiterer RCT (Liu, You, et al. 2017), welcher in einer Nicht-Unterlegenheitsstudie Qigong mit Stretching vergleicht, konnte ebenfalls zeigen, dass Qigong bezüglich der tumorspezifischen Lebensqualität Stretching nicht unterlegen war. Allerdings war auch dieser RCT nicht frei von methodischen Mängeln. Die mögliche Wirksamkeit von Tai Chi/Qigong gegenüber Treatment as Usual, sowie die positive Risikobewertung sprechen für eine verhalten positive Empfehlung, die in weiteren Studien bestätigt und hinsichtlich der Langzeitwirkung untersucht werden muss.
Fatigue und Schlaf
Zu Fatigue wurden 2018 zwei Metaanalysen veröffentlicht. Eine Metaanalyse (Wayne et al. 2018) fand 10 RCTs bezüglich der Wirksamkeit von Tai Chi/Qigong im Vergleich zu Treatment as Usual, und im Vergleich zu aktiven Interventionen. In beiden Fällen konnte eine signifikante Überlegenheit von Tai Chi/Qigong während/nach Abschluss der Chemo-/Radiotherapie statistisch nachgewiesen werden. Während im Vergleich zu Treatment as Usual ein moderater Effekt gefunden wurde (standardisierte Mittelwertsdifferenz: -0,75; 95% Konfidenzintervall: -1,35 bis -0,14), war der Effekt im Vergleich zu aktiven Kontrollinterventionen eher klein (standardisierte Mittelwertsdifferenz: -0,48; 95% Konfidenzintervall: -0,98 bis -0,14). Eine NetzwerkMetaanalyse (Hilfiker et al. 2018) differenzierte zwischen onkologischen Patienten während und nach Abschluss der Chemo-/Radiotherapie und fand eine Überlegenheit lediglich bei den Patienten nach Abschluss der Chemo-/Radiotherapie, mit einer kleinen Effektstärke (standardisierte Mittelwertsdifferenz: -0,45; 95% Konfidenzintervall: -0,84 bis -0,06). Keine Effekte fanden sich während Chemo-/Radiotherapie, und im Vergleich zu aktiven Interventionen. Zudem verschwand der signifikante Effekt, sobald Studien mit kleinen Stichproben ausgeschlossen wurden. Insgesamt bewegte sich Tai Chi/Qigong im Mittelfeld, wenn alle aktiven Interventionen (psychologische Interventionen, Manuelle Therapien, Entspannung, Sport, etc.) miteinander verglichen wurden. Die häufig unklaren oder hohen Risk of Bias-Bewertungen und die Heterogenität zwischen den
Studien schränken die Aussagekraft zusätzlich ein. Zudem sind die
Nachbeobachtungszeiträume zu kurz, um Aussagen über längerfristige Wirkungen
treffen zu können.
Bezüglich Schlaf bzw. Ein- und Durchschlafstörungen fand eine aktuelle Metaanalyse
über 6 RCTs keine konsistenten Hinweise darauf, dass Tai Chi/Qigong Schlafstörungen/-
probleme verbessern kann (Wayne et al. 2018). Obgleich ein Trend vorhanden war, war
Tai Chi/Qigong Treatment as Usual während/nach Abschluss der Chemo-/Radiotherapie
statistisch nicht überlegen. Eine mögliche Ursache wurde von den Autoren auch in der
kleinen Anzahl von sowie der Heterogenität der Studien vermutet. Im Gegensatz dazu
konnte jedoch ein signifikanter Effekt zugunsten Tai Chi/Qigong im Vergleich zu aktiven
Interventionen gefunden werden, dort mit einer kleinen Effektstärke (standardisierte
Mittelwertsdifferenz: -0,45; 95% Konfidenzintervall: -0,87 bis -0,03). Ein weiteres
methodisch hochwertiges RCT (Irwin et al. 2017) verglich 12 Wochen Tai Chi mit einer
kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnia in einer Nicht-Unterlegenheitsstudie an
insgesamt 90 Brustkrebspatientinnen nach Abschluss der Chemo-/Radiotherapie. Die
Ergebnisse lieferten Hinweise darauf, dass Tai Chi Chih ebenso wirksam zur Reduktion
von Insomnie sein kann wie eine kognitive Verhaltenstherapie für Insomnia.
Insgesamt zeigen sich für Fatigue positive Effekte für die Wirkung von Tai Chi/Qigong
während und nach Chemo-/Radiotherapie, jedoch keine Effekte während der Therapie.
Bezüglich Schlaf zeigen sich gemischte Ergebnisse für die Intervention während und
nach Chemo-Radiotherapie.
Depressivität (Zu Empfehlung 5.14)
Für die Wirkungen von Tai Chi/Qigong auf (nicht klinische) Depressivität liegen erste
Daten aus einer Metaanalyse (Wayne et al. 2018) bei Krebspatienten während/nach
Abschluss der Chemo-/ Radiotherapie vor. Daten aus insgesamt 7 RCTs wurden
kombiniert und konnten zeigen, dass Tai Chi/Qigong Treatment as Usual statistisch
überlegen war. Die Effektstärke bewegte sich jedoch nur in einem kleinen Bereich
(standardisierte Mittelwertsdifferenz: -0,32; 95% Konfidenzintervall: -0,54 bis -0,09). Im
Vergleich zu aktiven Kontrollinterventionen hingegen konnte kein statistisch
signifikanter Unterschied gefunden werden. Damit scheint Tai Chi/Qigong ähnlich
wirksam wie andere Verfahren zu sein. Zwei RCTs (Irwin et al. 2017; Liu, You, et al. 2017)
unterstützen diese Befunde, zumindest für Brustkrebspatientinnen nach Abschluss der
Chemo-/Radiotherapie. Die Studien zeigen, dass Tai Chi einer kognitiven
Verhaltenstherapie nicht unterlegen ist (Irwin et al. 2017) bzw. Qigong ähnlich wirksam
ist wie Stretching (Liu, You, et al. 2017). Auch in Bezug auf Depressivität schränken die
häufig unklaren oder hohen Risk of Bias Bewertungen und die Heterogenität zwischen
den Studien die Aussagekraft ein. Zudem sind die Nachbeobachtungszeiträume zu kurz,
um Aussagen über längerfristige Wirkungen treffen zu können. Nicht zuletzt sind die
Studien nicht spezifisch für Depressionen im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung
angelegt, und der Einschluss nicht-depressiver Patienten wird vermutlich
depressionsspezifische Effekte verwässern. Weitere Studien, die die Wirkung von Tai
Chi/Qigong spezifisch bei Patienten mit eingeschränkter psychischer Gesundheit im
Zusammenhang mit einer Krebserkrankung untersuchen, sind wünschenswert.
Nebenwirkungen
Eine Metaanalyse über 14 RCTs ergab keine Hinweise auf Nebenwirkungen im
Zusammenhang mit Tai Chi/Qigong (Wayne et al. 2018). Allerdings berichteten nur 4
von 14 RCTs überhaupt Outcomes im Zusammenhang mit Sicherheit. Generell scheint
Tai Chi/Qigong mit wenigen Nebenwirkungen assoziiert zu sein, da die
Bewegungsabläufe einfach, langsam und fließend sind. Ein systematischer Review
publizierter RCTs zu Tai Chi ohne einen spezifischen Fokus auf onkologische Patienten
ergab, dass nur leichte und zu erwartende Nebenwirkungen berichtet wurden,
insbesondere leichte muskuloskeletale Schmerzen (Wayne, Berkowitz, Litrownik, Buring,
& Yeh 2014). Aufgrund der Verbesserung von Koordination und Stabilität sowie des
geringen Nebenwirkungsprofils wird Tai Chi/Qigong daher oft auch bei älteren und
gebrechlichen Personen mit Erfolg eingesetzt. Es gibt keine Hinweise darauf, dass dies
bei onkologischen Patienten grundsätzlich anders zu beurteilen ist. Insgesamt scheinen
Tai Chi und Qigong sichere Verfahren zu sein.
Evidenzaufarbeitung
Die Evidenzaufarbeitung zu Tai Chi/Qigong wurde von den Wissenschaftlern der Universität Duisburg-Essen unter der Leitung von Prof. Dr. Dobos (KOKON) durchgeführt.
Literatur:
Hilfiker, R., Meichtry, A., Eicher, M., Nilsson Balfe, L., Knols, R. H., Verra, M. L., & Taeymans, J. (2018). Exercise and other non-pharmaceutical interventions for cancer-related fatigue in patients during or after cancer treatment: a systematic review incorporating an indirect-comparisons meta-analysis. Br J Sports Med, 52(10), 651-658.
Irwin, M. R., Olmstead, R., Carrillo, C., Sadeghi, N., Nicassio, P., Ganz, P. A., & Bower, J. E. (2017). Tai Chi Chih Compared With Cognitive Behavioral Therapy for the Treatment of Insomnia in Survivors of Breast Cancer: a Randomized, Partially Blinded, Noninferiority Trial. Journal of Clinical Oncology, 35(23), 2656-2665.
Liu, P., You, J., Loo, W. T. Y., Sun, Y., He, Y., Sit, H., . . . Chen, J. (2017). The efficacy of Guolin-Qigong on the body-mind health of Chinese women with breast cancer: a randomized controlled trial. Quality of life research, 26(9), 2321-2331.
Wayne, P. M., Berkowitz, D. L., Litrownik, D. E., Buring, J. E., & Yeh, G. Y. (2014). What do we really know about the safety of tai chi?: A systematic review of adverse event reports in randomized trials. Arch Phys Med Rehabil, 95(12), 2470-2483.
Wayne, P. M., Lee, M. S., Novakowski, J., Osypiuk, K., Ligibel, J., Carlson, L. E., & Song, R. (2018). Tai Chi and Qigong for cancer-related symptoms and quality of life: a systematic review and meta-analysis. J Cancer Surviv, 12(2), 256-267.