Reflexzonentherapie
Indikationen
- Verbesserung der Lebensqualität
- Angst & Depressivität
- (Tumor-) Schmerzen
- Fatigue Syndrom
Vorgehensweise & Inhalt
Bei der Reflextherapie wird manueller Druck auf spezifische Körperteile (häufig Füße, manchmal Hände) ausgeübt, die mit bestimmten inneren Organen korrespondieren sollen. Durch die Reizung der Körperzonen sollen die Selbstheilungskräfte der Organe gefördert werden, die mit den jeweiligen Zonen in Verbindung stehen.
Onkologische Patienten bekommen oft Spritzen oder Infusionen über die Arme, so dass die Hände weniger für die Reflextherapie geeignet sind. In den gefundenen Studien handelt es sich bei der Intervention immer um eine Fußreflexzonenmassage. Als Outcomes wurden psychische und physische Lebensqualität, darunter auch die brustkrebsspezifische Lebensqualität, das körperliche Funktionsniveau, Schmerzen, Angst, Depressivität, Fatigue, Übelkeit und Stimmung untersucht. Aufgrund gravierender methodischer Mängel ist allerdings nur ein Teil der Studien auswertbar. Studien mit gravierenden methodischen Mängeln und sehr hohem Verzerrungsrisiko In der de novo Recherche wurde ein systematisches Review (Wilkinson, Lockhart, et al. 2008) mit fünf eingeschlossenen RCTs und darüber hinaus vier weitere RCTs gefunden, die aufgrund erheblicher methodischer Mängel nicht interpretierbar sind. Weitere systematische Reviews wurden bereits vorab ausgeschlossen, da sie entweder keine Subgruppenanalysen für Patienten mit einer Krebserkrankung oder für die
Reflextherapie hatten, nur eine RCT eingeschlossen hatten oder keine detaillierten
Angaben zu den eingeschlossenen Studien machten (siehe Leitlinienreport). Relevante
Einzelstudien aus den SRs wurden übernommen.
Lebensqualität, Schmerzen, Angst, Depressivität und/oder Fatigue
Im eingeschlossenen systematischen Review wurde eine umfassende Suchstrategie auf
neun Datenbanken für Studien mit Reflextherapie an Patienten aller Krebsentitäten
durchgeführt (Wilkinson, Lockhart, et al. (2008)). Es wurden fünf RCTs gefunden
(Hodgson (2000), Ross et al. (2002), (Smith 2002) bzw. Smith, 2005), Stephenson,
Dalton, und Carlson (2003); Stephenson et al. (2000)), wobei sich zwei der RCTs auf die
gleiche Stichprobe beziehen. Als Endpunkte wurden Lebensqualität, Schmerzen, Angst,
Depressivität und/oder Fatigue erhoben. Nur in zwei Studien konnten im
Gruppenvergleich positive Effekte zugunsten der Reflextherapie gezeigt werden. In der
einen Studie von (Hodgson 2000) wurde die Lebensqualität mit einer Reihe von Items
mit einer jeweiligen VAS-Skala nach Holmes und Dickerson erhoben. Im Summenscore
über alle Items ergab sich ein signifikanter Unterschied zugunsten der Reflextherapie-
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Gruppe gegenüber der Placebo-Reflextherapie-Kontrollgruppe (Mittelwertsdiff. k.A., p =
0.004). Im Einzelvergleich der Items ergab sich nur bei dem Item „Atmung“ ein
signifikanter Unterschied (Mittelwertssdiff. k.A., p = 0.026). Kritisch anzumerken ist,
dass die Skala ursprünglich 23 Items hatte. Fünf der Items waren aufgrund eines
Tippfehlers in der Vorlage nicht auswertbar. Dies könnte die Validität des Fragebogens
eventuell beeinträchtigt haben. Sehr kritisch zu bewerten ist zudem, dass die Studie nur
12 Teilnehmer hatte, keine Angaben zur Randomisierung gemacht wurden und nur sehr
kurzfristige Effekte (12h nach Behandlung) erhoben wurden. In der anderen Studie von
Smith (2002) bzw. 2005 wurde Fatigue mit dem POMS und der Pearson-Byars Fatigue
Checklist erhoben. In beiden Fällen ergaben sich signifikant bessere Ergebnisse in der
Reflextherapiegruppe als in der aktiven Kontrollgruppe, die nur eine normale
Fußmassage bekommen hatte (POMS: Mittelwertsdiff. k.A., p = 0.006; Pearson-Byars
Fatigue Checklist: Mittelwertsdiff. k.A., p = 0.002). Allerdings ist hier die Validität der
Pearson-Byars Fatigue Checklist fraglich, da diese für Piloten zur Erfassung körperlicher
Ermüdung entwickelt wurde. Zudem gab es einen Drop-out von 16,3 % (n = 21 von 129),
eine nur einfache Verblindung und keine Angabe zur Größe der Effekte und zur
klinischen Relevanz. In den anderen Studien zeigte sich kein signifikanter Unterschied
zwischen den Gruppen (Reflextherapie vs. gewöhnliche Fußmassage) hinsichtlich Angst
und Depressivität, erhoben mit dem HADS (Ross et al. 2002) oder keine Angaben zum
Gruppenvergleich. Die Autoren des systematischen Reviews schließen selbst, dass auf
Grundlage dieser Evidenz keine Aussage über die Wirksamkeit von Reflextherapie in der
Behandlung von Patienten mit einer Krebserkrankung getroffen werden kann.
Übelkeit, Fatigue und Lebensqualität
Schwierig ist ebenso die Auswertung der zwei Publikationen (Ozdelikara & Tan 2017);
Özdelikara und Tan (2017)), die sich auf die gleiche Studie an der gleichen Stichprobe
beziehen und lediglich verschiedene Endpunkte beschreiben. 60 Patientinnen mit einem
Brustkrebs wurden hinsichtlich Übelkeit, Fatigue und Lebensqualität befragt, nachdem
sie entweder während zwei Zyklen CTX 30-40 Minuten Reflextherapie oder keine
zusätzliche Behandlung erhalten hatten. Die Gruppen waren zur Baseline nicht
vergleichbar und in der statistischen Auswertung wurde multiple getestet (über 50
statistische Tests ohne statistische Korrektur). Die Ergebnisse dieser Studie sind daher
nicht aussagekräftig. Durch die fehlende aktive Kontrollgruppe ist zudem ein
Placeboeffekt nicht auszuschließen.
Angst und Schmerzen
Ebenso weist die statistische Auswertung der Studie von Stephenson et al. (2000)
gravierende Fehler auf. Es wurden Brust- und Bronchialkrebspatienten zufällig in zwei
Gruppen aufgeteilt und im Cross-Over-Design behandelt. Die eine Gruppe hat am ersten
Tag zuerst eine Sitzung Reflextherapie erhalten und die darauffolgenden drei Tage keine
besondere Intervention. Die andere Gruppe hat die ersten drei Tage keine besondere
Intervention bekommen und dann am vierten Tag die Reflextherapie. In beiden Gruppen
wurden die Patientin jeweils am ersten und am vierten Tag nach Angst und Schmerzen
befragt. Die Mittelwerte wurden allerdings für die jeweilige Kontrollbedingung und
Interventionsbedingung über die Gruppen hinweg gebildet, nicht innerhalb der Gruppen.
Die Patienten dienten somit nicht als eigene Kontrolle. Die Vergleichbarkeit der Gruppen
zur Baseline wurde aber weder hinsichtlich demographischer Eigenschaften noch der
Endpunkte überprüft (teilweise auch nicht angegeben). Zudem wurden für fast alle
Endpunkte nur ein Teil der Stichprobe ausgewertet, nämlich nur die
Brustkrebspatientinnen (N = 13, Drop-out = 44%, k.A. zur Aufteilung in Arm A oder Arm
B).
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Lebensqualität
Bei Uysal et al. (2017) bekamen 65 Patienten mit einem kolorektalem Karzinom zweimal
pro Woche, je 20-30 Min, für 5 Wochen entweder Reflextherapie eine klassische Massage
oder keine weitere Behandlung neben CTX und RTX. Alle Patienten wurden hinsichtlich
der Lebensqualität untersucht. Die Gruppen waren zur Baseline nicht vergleichbar. Die
Gruppen unterschieden sich signifikant voneinander auf dem EORTC QLQ C30 in der
Global Health Skala (MW (SD): A: 76.25 (9.85), B: 68.33 (5.72), C: 68.33 (11.34); p =
0.012). Außerdem waren in Arm C deutlich mehr Patienten mit Tumorstadium III (Anzahl
der Patienten in Stadium II/III: Arm A 10/10, Arm B 5/15 und Arm C 3/17). Diese
Unterschiede wurden in den Auswertungen nicht berücksichtigt und machen die
Ergebnisse kaum interpretierbar. Weiterhin wurden die Ergebnisse nur selektiv berichtet
(keine Angaben zu den Ergebnissen des CR29). Die Kontrollgruppe erhielt zwar eine
vergleichbare Behandlung, nämlich eine normale Fußmassage, allerdings dauerte diese
nur 20 statt 30 Minuten (performance bias). Zudem fand keinerlei Verblindung statt.
Stimmungslage und Schmerzen
In der randomisiert kontrollierten Vergleichsstudie von Hodgson und Lafferty (2012)
wurde an 18 Pflegeheimbewohner mit bereits abgeschlossener Krebsbehandlung ein
Cross-over-Design durchgeführt. Die Teilnehmer der einen Gruppe erhielten über vier
Wochen eine schwedische Massage der unteren Extremitäten (20 min. 1x/ Woche) und
dann nach einer Woche Wash-out über vier Wochen eine Reflextherapie (20 min. 1x/
Woche) der Füße. Die andere Gruppe erhielt ebenso beide Therapien, aber in anderer
Reihenfolge. Beide Gruppen wurden nach einem systematischen Vorgehen mit dem AARS
in ihrer Stimmungslage durch Beobachter eingeschätzt und mit dem CNPI nach ihren
Schmerzen befragt. Die statistische Auswertung wurde nicht nachvollziehbar dargestellt
und fehlerhaft durchgeführt: Es wird nicht erklärt, wann genau die Daten erhoben
worden sind und wie die Daten zu den einzelnen Behandlungen zusammengerechnet
wurden und es wurde ein statistischer Test für abhängige statt für unabhängige
Stichproben verwendet. Es lassen sich daher keine Schlüsse aus dieser Studie ziehen.
Studien mit geringen bis moderaten methodischen Mängeln und Verzerrungsrisiko
In den folgenden sechs RCTs gibt es weniger gravierende methodische Mängel, so dass
die Daten zumindest Hinweise auf eine eventuelle Wirksamkeit von Reflextherapie geben
können. Drei RCTs wurden an relativ großen Stichproben (n>150) aus Patientinnen mit
einem Brustkrebs durchgeführt, die zu verschiedenen psychischen und physischen
Parameters des Wohlbefindens und der Lebensqualität befragt wurden. Zwei weitere
RCTs untersuchten speziell Schmerzen und Angst an einer Stichprobe mit verschiedenen
Krebserkrankungen. Die letzte RCT ist eine Vergleichsstudie zwischen Reflextherapie
und Aromatherapie-Massage ebenso an Patienten verschiedener Krebserkrankungen.
Psychische und physische Lebensqualität
In der größten RCT von Wyatt et al. (2012) wurden 286 Patientinnen mit
fortgeschrittenem Brustkrebs (Stage III-IV, metastasiert oder rezidiv) in eine von drei
Gruppen randomisiert. Die Patientinnen erhielten während der CTX und/oder
Hormontherapie entweder mehrere Sitzungen Reflextherapie (Dauer: 30min. 1x Woche,
4 Wochen insgesamt), gewöhnliche Fußmassagen (gleiche Dauer und Anzahl) oder nur
die konventionelle Krebsbehandlung. Es wurden verschiedene Belange der psychischen
und physischen Lebensqualität abgefragt: Brustkrebsspezifische QoL mit dem FACT-B
(physical, emotional, social, functional, breast cancer specific concerns), körperliches
Funktionsniveau mit SF-36, Fatigue-Schwere und Störung der täglichen Aktivitäten durch
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die Fatigue jeweils mit einem einzelnen Item aus dem BFI, Schmerz-Intensität mit einem
einzelnen Item aus dem Brief Pain Inventory-Short Form, Depressivität mit CES-D und
Angst mit dem State-Trait Anxiety Inventory. Die Erhebungszeitpunkte waren zu Beginn
der Studie und eine Woche nach der letzten Intervention, das Follow-up sechs Wochen
nach der letzten Intervention. Die statistischen Analysen wurden nach allen Regeln der
Kunst durchgeführt. Anfängliche Unterschiede zwischen den Gruppen wurden in den
statistischen Analysen berücksichtigt. Im Vergleich der Gruppe der Patientinnen, die eine
Reflextherapie bekommen hatte, mit der Gruppe, die gewöhnliche Fußmassagen
erhalten hatte, schnitt die erste Gruppe nur hinsichtlich eines Endpunkts signifikant
besser ab, nämlich Dyspnoe (einzelnes Item aus dem FACT-B: adjustierter Koeffizient β
der Gruppenvariable des LME Models über T0, T1 und T2 (Standardfehler von Beta), pWert, adjustierter Mittelwert M für T1 und T2, adjustierte Effektgröße: β = k.A. (k.A.), p
= 0.02, Arm B: M-T1 = 3.1, M-T2 = 3.03, Effekt T1 =k.A., Effekt T2 = k.A). Im Vergleich
zur passiven Kontrollgruppe hatten sie in zwei Endpunkten bessere Werte: ebenso in
Dyspnoe (β = 0.39 (0.13), p < 0.01, Arm A: M-T1 = 3.33, M-T2 = 3.36, Arm C: M-T1 =
3.1 M-T2 = 2.9, Effekt T1 = 0.36, Effekt T2 = 0.51) und im allgemeinem körperlichen
Funktionsniveau (SF-36: ß = 5.527 (2.728), p = 0.04, Arm A: M-T1 = 58.6, M-T2 = 59.2,
Arm C: M-T1 = 54.9 M-T2 = 51.6, Effekt T1 = 0.21, Effekt T2 = 0.44). Diese beiden Effekte
sind klinisch relevant, wobei Letzteres durch die Verbesserung der Dyspnoe vermittelt
wurde. In allen weiteren Belangen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede
zwischen der Reflextherapie-Gruppe und den anderen zwei Gruppen. Kritisch
anzumerken ist, dass keine Verblindung der Teilnehmerinnen stattgefunden hatte, so
dass positive/negative Erwartungen ihr Befinden oder ihre Wahrnehmung verändert
haben könnten. Weiterhin ist anzumerken, dass der Gruppenunterschied aus dem
Durchschnitt aller Gruppenunterschiede zu allen Zeitpunkten berechnet wurde.
Interaktionseffekte zwischen Gruppe X Zeit wurden nicht dargestellt. D.h. es kann nicht
erkannt werden, ob sich die Gruppen zeitweise unterschieden und die Effekte
ausgemittelt haben. Ein dauerhafter Effekt wäre aber erkannt worden.
Physisches und psychisches Befinden
In einer folgenden Studie von Wyatt et al. (2017) wurden 256 Patientinnen, ebenso mit
Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium III-IV, in zwei Gruppen randomisiert: In der
einen Gruppe wurden die Partner (oder Familienangehörige oder Freunde) der
Patientinnen in der Technik der Reflextherapie geschult. Diese haben dann die
Patientinnen für vier Wochen mindestens einmal pro Woche mit einer 30- minütigen
Reflextherapie behandelt (realer Durchschnitt 1.1 mal pro Woche). In der anderen
Gruppe haben die Partner den Patientinnen stattdessen irgendeine Art von
Aufmerksamkeit zukommen lassen, die in der Studie nicht genauer beschrieben wird.
Nach vier Wochen stand es den Teilnehmern offen, die Interventionen fortzusetzen. Alle
Patientinnen wurden wöchentlich zu verschiedenen Belangen ihres physischen und
psychischen Befindens befragt: Symptomschwere und Einschränkungen des täglichen
Lebens mit dem MDASI, körperliches Funktionieren und Zufriedenheit bezüglich der
sozialen Teilhabe mit dem PROMIS, QoL mit dem QLI. Als Mediatoren wurden zudem die
Wahrnehmung der sozialen Unterstützung mit dem MSPSS und Qualität der PatientinStudienpartner-Beziehung mit dem Quality Relationship Tool erfasst. Die statistische
Analyse wurde nach allen Regeln der Kunst durchgeführt. Die Gruppen waren zu Beginn
der Studie in fast allen Belangen außer dem Lebensalter vergleichbar. Dies wurde aber
in den statistischen Analysen berücksichtigt. Die Qualität der Beziehung der Patientinnen
zu ihrem Studienpartner und die grundsätzlich wahrgenommene soziale Unterstützung
zeigten keine Unterschiede. Nach den Behandlungen, v.a. in der zweiten, dritten und
fünften Studienwoche gaben die Patientinnen der Reflextherapiegruppe in zwei von fünf
Endpunkten eine signifikant größere Symptomabnahme als in der anderen Gruppe an:
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dies betrifft die Fragen aus dem MDASI zur Symptomschwere (adjustierter Koeffizient β
der Gruppenvariable des LME Models über Woche 5 und 11(Standardfehler von Beta), pWert, ggf. adjustierter Mittelwert M: β = -4.34 (1.85), p = 0.02. Woche 2: Arm A: M =
27.50 (1.53), Arm B M = 33.65 (1.55), p < 0.01; Woche 3: Arm A: M = 25.50 (1.55), Arm
B: M = 30.98 (1.55), p = 0.01; Woche 5: Arm A: M = 24.64 (1.52), Arm B: M = 30.50
(1.48), p < 0.01)) und Beeinträchtigung des alltäglichen Lebens (β = -3.69 (1.39), p <
0.01. Woche 1: Arm A: M = 14.60 (1.15), Arm B: M = 18.32 (1.17), p = 0.02; Woche 3:
Arm A: M = 11.84 (1.17), Arm B: M = 17.57 (1.17), p < 0.01; Woche 5: Arm A: M = 12.30
(1.15), Arm B: M = 16.60 (1.12), p < 0.01). Diese Ergebnisse zur Symptomschwere sind
statistisch größtenteils durch die Verbesserung auf den Items zu Fatigue und Schmerzen
erklärbar. Gleichzeitig konnten keine Unterschiede in den anderen Endpunkten gezeigt
werden, obwohl diese durchaus ähnliche Parameter des Wohlbefindens waren. Ein
Nachteil der Studie ist, dass nicht angegeben wurde, ob die Effekte klinisch relevant
sind. Des Weiteren erschwert sich die Interpretation der Ergebnisse dadurch, dass nicht
angegeben wurde, was genau die Patientinnen in der Kontrollgruppe bekommen haben
(hat hier auch persönliche Zuwendung oder sogar Berührung stattgefunden?). Um die
Effekte explizit der Reflexzonen-Massage zuschreiben zu können, hätte man die
Patientinnen in der Kontrollgruppe mit einer vergleichbaren nur gewöhnlichen
Fußmassage behandeln müssen. Des Weiteren ist anzumerken, dass 20% der
Patientinnen die Teilnahme innerhalb der ersten fünf Studienwochen abgebrochen
haben und 30% innerhalb des gesamten Studienzeitraums von 11 Wochen (davon nur
3,5 % wegen Tod oder zu starker Erkrankung). Die Abbruchrate und Abbruchgründe
waren innerhalb beider Gruppen vergleichbar, so dass ein Gruppenvergleich dennoch
legitim war. Allerdings lässt sich schließen, dass weder Aufmerksamkeit (wie auch immer
diese stattgefunden hat) noch Reflextherapie im häuslichen Umfeld für alle
fortgeschrittene Brustkrebspatientinnen und ihre Studienpartner geeignet oder attraktiv
ist.
Lebensqualität, Angst und Depressivität
Bei Sharp et al. (2010) wurden drei verschiedene Gruppen von insgesamt 183
Patientinnen mit Brustkrebs ohne Metastasen miteinander verglichen: Die Patientinnen
hatten sieben Wochen nach der OP entweder Reflextherapien (Dauer: 1h, 1x/ Woche für
8 Wochen), Kopfmassagen (gleiche Dauer und Anzahl) oder nichts bekommen, was über
die übliche Versorgung hinausging. Die Endpunkte wurden zur Baseline (T0) und drei
Wochen nach der letzten Intervention (T1) sowie zum Follow-up neun Wochen nach der
letzten Intervention (T2) erhoben. Dabei wurden sehr viele ähnliche Parameter erfasst:
als primärer Endpunkt wurde QoL mit der TOI-Skala des FACT-B zu T1 gewählt, als
sekundären Endpunkte QoL mit der TOI-Skala des FACT-B zu T2, sowie mit den anderen
Skalen des FACT-B, nämlich der körperlichen, funktionalen, emotionalen, sozialen und
zusätzlichen Sorgen- Skala (Baseline, T1, T2), Stimmung mit der MRS EntspannungsSkala und anderen Skalen des MRS (Baseline, T1, T2) und Angst und Depressivität mit
HADS (Baseline, T1, T2). Zudem wurden die Vergleichbarkeit der Gruppen in der
Anwendung zusätzlicher KAM-Therapien mit dem CMQ (Baseline, T1, T2) und die
psychiatrische Morbidität mit dem SCID (Baseline, T1, T2) überprüft. Zur Kontrolle der
multiplen Tests wurde eine Korrektur des Signifikanzniveaus vorgenommen. Im
Vergleich zur passiven Kontrollgruppe hatte die Reflextherapie-Gruppe in insgesamt 6
von 34 Tests signifikant bessere Werte (QoL mit FACT-B Gesamtskala, TOI-Skala und der
funktionalen Unterskala jeweils zu T2, allgemeine Stimmung des MRS zu T1 und T2,
Entspannungs-Unterskala des MRS zu T2). Im Vergleich zur aktiven Kontrollgruppe der
Kopfmassage ergab sich jedoch nur in einem von 34 Tests ein signifikanter Unterschied,
nämlich hinsichtlich der „easy-goingness“ Unterskala des MRS zu T1 (Mittelwert (95%
Konfidenzintervall): Arm A: 98.70 (90.12; 107.27), Arm B: 113.98 (105.49; 122.46), p =
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0.04). Diese nachweislichen Unterschiede sind alle in geringer Größenordnung und
vermutlich nicht klinisch relevant. Die Autoren der Studie heben diese Unterschiede sehr
hervor, gehen aber nicht darauf ein, warum in anderen ähnlichen Punkten keine
Unterschiede gefunden werden konnten.
Schmerzen
In einer RCT von Stephenson et al. (2007) wurden 90 Patienten mit verschiedenen
metastasierten Krebserkrankungen in zwei Gruppen randomisiert: In der einen Gruppe
wurden die Partner (oder Familienangehörige oder Freunde) der Patienten in der
Methode der Reflextherapie unterrichtet, damit sie diese einmalig für 30 Minuten beim
Patienten im häuslichen Umfeld durchführen konnten. In der anderen Gruppe sollten die
Partner dem Patienten etwas seiner Wahl vorlesen. In beiden Gruppen wurden die
Patienten vor und nach der Intervention durch den Partner bezüglich ihrer Schmerzen
mit dem BPI und SF-MPQ (ein Item für die Schmerz-Intensität wurde mit der VAS für
Schmerz ausgetauscht) und bezüglich ihrer Angst mit der VAS befragt. Nach der
Intervention gaben die Patienten, die eine Reflextherapie bekommen hatten, deutlich
niedrigere Werte auf einen der Fragebögen für Schmerzen (es ist nicht erkennbar,
welcher der beiden FB gemeint ist: adjustierte Mittelwertsunterschiede Prä/Post (SD):
Arm A: 1.1(k.A.), Arm B: 0.1 (k.A.), p = 0.001, Effektgröße ε^2 = 0.12) und Angst (Arm
A: 3.1(k.A.), Arm B: 1.3 (k.A.), p = 0.001, ε^2 = 0.13) an als die andere Gruppe. Eine
Subgruppenanalyse zeigte, dass am meisten die Patienten profitierten, die vor der
Reflextherapie hohe Werte für Schmerzen angegeben hatten (Pain >5: Arm A: 2.7 (k.A.),
Arm B: 0.5 (k.A.), p = 0.007, ε^2 = 0.23). Dies spricht für einen kurzfristigen Effekt der
Reflextherapie, der über den Effekt von Aufmerksamkeit durch Vorlesen hinausgeht.
Allerdings könnten wegen fehlender (wenn auch kaum möglicher) Verblindung die
Erwartungen der Patienten einen Einfluss auf ihre subjektive Einschätzung gehabt haben.
Zudem könnte auch die körperliche Berührung oder Massage den Effekt erklären. Des
Weiteren wurden in der Auswertung nur die Ergebnisse eines einzigen Fragebogens
dargestellt (publication bias). Die Erstautorin der Studie ist selbst ausgebildete
Reflextherapeutin und hat die Daten der Studie selbst erhoben. Hier könnte ein
Interessenskonflikt vorliegen.
Schmerzen und Angst
In einer weiteren RCT von Tsay et al. (2008) erhielten 62 Patienten mit einem
hepatozellulärem oder Magenkrebs wurden nach der OP entweder vier Tage lang jeweils
eine 20-minütige Sitzung Reflextherapie oder nur die konventionelle Behandlung. Als
Endpunkte wurden täglich Schmerzen mit der VAS und dem SF-MPQ und Angst mit HADS
erfasst. Zusätzlich wurde zwei Tage nach der Intervention der Betäubungsmittelkonsum
von Meperidin erfasst. Es wurde ein GLM Model über alle Zeitpunkte berechnet. Auf der
VAS stieg der Schmerz für die Kontrollgruppe an, während er in der Behandlungsgruppe
tendenziell konstant blieb. Dieser Unterschied zeigte sich in einem signifikanten
Gruppen-Effekt, sowie in einem signifikanten Gruppen-Zeit-Interaktionseffekt
(adjustierter Koeffizient der Gruppenvariable βG (Standardfehler) = 21.22 (4.93), p <
0.001; Koeffizient des Zeit-Gruppen-Interaktionseffekts βI (Standardfehler) = -2.41
(1.38), p = 0.0107). Auf dem SF-MPQ war der durchschnittliche Gruppenunterschied
nicht signifikant (βG = -0.63 (1.23), p = 0.61), jedoch der Gruppen-Zeit-Interaktionseffekt
(βI = -3.17 (1.41), p = 0.02): In der Interventionsgruppe zeigte sich eine stärkere
Abnahme des Schmerzes über die Zeit. Das gleiche gilt für die Werte des HADS zur
wahrgenommenen Angst der Patienten (βG = 0.31 (0.98), p = 0.753; βI = -1.12 (0.49), p
= 0.231). Zudem zeigte sich ein signifikant geringerer Konsum von Meperidin in der
Interventionsgruppe (Mittelwertsdiff. = 39,59 mg Demerol, p = 0.015). Es wurde nicht
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ausgewertet, ob die Patienten davor auch unterschiedliche Mengen an Schmerzmitteln
über die patientengesteuerte Analgesie PCA erhielten. Bei der Interpretation der
Ergebnisse ist erneut kritisch anzumerken, dass nur eine passive Kontrolle
stattgefunden hat, so dass sich die positiven Effekte nicht explizit der ReflexzonenMassage zuschreiben lassen.
Vergleich zu Massage mit Aromatherapie
Bei Dyer et al. (2013) wurden 115 Patienten verschiedener Krebserkrankungen zufällig
in eine Gruppe eingeteilt, die entweder Massagen mit Aromatherapie (4 Sitzungen für
jeweils 1 h, auf durchschnittlich 10 Wochen verteilt) oder Reflextherapie (4 Sitzungen,
Dauer: kA) erhalten haben. In beiden Gruppen wurden vor der ersten und nach der
letzten Sitzung verschiedene Parameter der Lebensqualität erhoben. Auf dem MYCaW
konnten die Teilnehmer selbst angeben, welche negativen Auswirkungen die
Krebserkrankung auf sie hat und wie sich diese durch die jeweilige Behandlung verändert
haben. Darüber hinaus wurde Entspannung mit der VAS erfasst. Dabei konnte gezeigt
werden, dass es in beiden Armen eine bedeutsame Verbesserung der erhobenen
Lebensqualität gab. Allerdings gab es keinen Unterschied zwischen den Gruppen. Diese
Studie zeigt also, dass die Reflextherapie der Aromatherapie-Massage in Bezug auf die
Verbesserung der hier gemessenen Lebensqualität nicht unterlegen, aber auch nicht
überlegen ist. Die Aromatherapie-Massage ist selbst keine etablierte Therapie, von der
man ausgehen kann, dass ihr Effekt über ein Placeboeffekt hinausgeht. Auch die Autoren
erwähnen, dass es keinen ausreichenden Nachweis über die Wirksamkeit der
Aromatherapie-Massage gibt. (Hier sei dann auf das Kapitel zu
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Schwedische Massage verwiesen)
Nebenwirkungen
Angaben zu Nebenwirkungen der Reflextherapie findet man in vier Studien (Ross et al.
(2002), Dyer et al. (2013), Hodgson und Lafferty (2012), Wyatt et al. (2012)). Bei Ross et
al. (2002) wurden 17 Patienten mit fortgeschrittenem Krebs (k.A. zu Krebsentitäten)
einmal pro Woche (Dauer k.A.) für 6 Wochen mit Reflextherapie oder einer gewöhnlichen
Fußmassage behandelt. Es wurden acht Fälle von Fußbeschwerden (Reflextherapie: n =
6, Fußmassage n = 2) und vier Fälle von Übelkeit, Zittern und Schlafstörungen
(Reflextherapie: n = 2, Fußmassage n = 2) berichtet, die möglicherweise mit der Therapie
assoziiert waren. In der RCT von Dyer et al. (2013) wurden 57 Patienten mit vier
Sitzungen Reflextherapie (Dauer k.A.) behandelt und bei Hodgson und Lafferty (2012)
18 Patienten (1x pro Woche a 20 Minuten, für vier Wochen). In beiden Fällen wurden die
Nebenwirkungen nicht systematisch erfasst, aber laut Angabe der Autoren wurden keine
Nebenwirkungen von den Teilnehmern berichtet. Bei Wyatt et al. (2012) wurden die
Nebenwirkungen systematisch mit eigenen Kriterien erhoben. Hier absolvierten 95
Patientinnen mit Brustkrebs die Reflextherapie (1x pro Woche a 30 Minuten, 4 Wochen)
und berichteten ebenso nach Angabe der Autoren von keinen Nebenwirkungen.
Schlussfolgerung
Insgesamt wurden in den Studien positive Effekte auf die Atmung, Fatigue und
Schmerzen beschrieben. Allerdings kann man vermuten, dass diese Effekte zum größten
Teil durch ein Gefühl der persönlichen Zuwendung hervorgerufen worden sind. Es gibt
keine sichere Evidenz für die Wirksamkeit der Reflextherapie.
Evidenzaufarbeitung
Die Evidenzaufarbeitung zu Reflextherapie wurde von den Wissenschaftlern des
Universitätsklinikums Jena unter der Leitung von Prof. Dr. Hübner (DKG) durchgeführt.
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